Tag 12 und 13 (21.-22.05.2024): Another farewell …

Nach einem großartigen Abendessen am Vorabend schlief ich wie ein Stein und wachte am nächsten Morgen so erholt auf, wie schon lange nicht mehr. Mit der Betreiberin der kleinen Pension hatte ich unter Zuhilfenahme von Google Translate für 7.15 Uhr ein kleines Frühstück vereinbart. Gerne wäre ich schon früher gestartet, aber auf das erste richtige Frühstück mochte ich nicht verzichten. Bisher hatte ich meine morgendliche Mahlzeit immer im Vorbeilaufen zu mir nehmen müssen. Heute gab es Käse-Toast -einfach, aber gut.

Am Abend zuvor musste ich ein paar Kilometer über die frisch gebaute Autobahn laufen. Daher hatte meine Wirtin angeboten, mich heute zum Camino zu fahren. Ein Angebot, das ich gerne angenommen hatte. Nun saß ich neben ihr und schwitzte bei ihrer rasanten Fahrweise Blut und Wasser. So war ich froh, als wir nach wenigen Minuten Autofahrt den Camino erreichten. Irgendwie kam mir die Ecke bekannt vor. Nach ein paar Metern musste ich feststellen, dass sie mich auf der falschen Seite des Berges abgesetzt hatte. Dieser Hügel mit seinen 100 Metern Höhe stellte mich nach meinen Erfahrungen in der letzten Woche vor eine eher kleine Aufgabe und so machte ich mich auf den Weg. Der Ausblick auf das in morgendlichen Dunst getauchte Tal entschädigte für den erneuten Aufstieg.

Zu mir gesellte sich nach kurzer Zeit eine ältere, wirklich übel gelaunte Britin, die wie eine blondierte Angela Merkel aussah. Die Dame, die ebenfalls von der Betreiberin der Herberge zurück zum Camino gefahren worden war, war mir bereits am Vorabend durch ihre außergewöhnlich miese Laune aufgefallen. „Ich Glückspilz“ dachte ich mir, als „Angela“ sich an meine Fersen heftete. Sie ließ sich partout nicht abschütteln und nervte mich mit schnippischen Belanglosigkeiten. Schnippisch kann ich auch sein und so giftete ich ordentlich zurück, woraufhin „Angela“ auf einmal handzahm wurde. Nikki, so ihr richtiger Name, erzählte mir, wie sie ihren dementen Mann die letzten Jahre gepflegt hatte. Im Dezember des letzten Jahres war er schließlich verstorben. Den Jakobsweg wollte Sie in den kommenden zwei Monaten mit unterschiedlichen Freunden gehen. Heute war der erste Tag, an dem sie allein unterwegs war. Nach den anfänglichen Startschwierigkeiten gingen uns auf den folgenden 20 Kilometern die Themen nicht mehr aus. In Burgos angekommen, wurde Nikki schon von ihrer Freundin in Empfang genommen. Ich selbst lief weiter in Richtung Kathedrale. Vor ein paar Stunden hatte ich noch mit Nikki gescherzt, dass ich in guter alter Tradition bestimmt Mathias (wer den Blog liest weiß, dass Mathias und ich uns des Öfteren zufällig auf großen Plätzen treffen) auf dem Marktplatz/Kirchenvorplatz treffen würde. Und wer saß auf einer Bank in der Sonne, als ich um die Ecke auf den Vorplatz der Kathedrale bog: natürlich Mathias.

Wir verabredeten uns für den Abend in einer Bar, um auf das Ende des Caminos für Mathias und Judith anzustoßen. Ihr Urlaub näherte sich dem Ende. Nun stand am nächsten Tag für die beiden die Heimreise an. Für mich also die letzte Möglichkeit, die beiden als qualifizierte Co-Moderation bzw. Kameramann für mein tägliches Spendenupdate einzusetzen. Den Werbeblock des Updates übernahm dankenswerterweise Marc aus Kanada. Nach einem sättigenden Abendessen fanden wir uns in der Bar wieder, in der wir uns schon vorher getroffen hatten. Zwei, drei, fünf Gläser Wein später kam das eine oder andere unerwartete Thema auf den Tisch. Wir hatten viel Spaß und den perfekten letzten Abend für unseren gemeinsamen Abschnitt auf dem Camino. Nach einem guten Hotelfrühstück ging es für mich auf eine kurze Tagesetappe. Der Morgen war recht kühl und das Wetter wurde über den Tag auch nicht besser.

Ich war angesichts des heute zu laufenden „Katzensprungs“ etwas später gestartet und, sobald ich die Stadt verlassen hatte, alleine unterwegs. Während der nächsten 10 Kilometer sah ich nur einen Jogger. Ich telefonierte mit einem Freund und erkundigte mich in der Firma, ob mich schon jemand vermissen würde. Fehlanzeige – es geht auch ohne mich. So steht den nächsten drei Wochen Camino nichts im Weg.
Die letzten Kilometer lief ich – mangels Gesprächspartner – schweigend vor mich hin. Für mich eine völlig neue Erfahrung.