Tag 22,23 und 24 (31.05.-02.06.2024): Happy Birthday to me!

Der Weg aus Leon heraus zog sich und führte durch die Außenbereiche des Ortes. Nach gut zwei Stunden wurden die Häuser etwas kleiner und der Camino lief parallel zur Autobahn. Das sollte leider auch den gesamten Weg so bleiben. Ich hatte mir den Ort „Villadangos del Páramo“ zum Übernachten ausgesucht und wäre fast an meinem Hotel vorbeigelaufen. Nicht weil das Hotel so klein gewesen wäre und in einem hübschen Örtchen versteckt gelegen hätte, sondern weil ich es doch ungewollt geschafft hatte, ein Zimmer in einem Truckstop mitten auf der Autobahn zu buchen. „Wenig einladend“ wäre eine glatte Untertreibung. Daher bemühte ich eine allen bekannte Buchungsseite, um eine Ausweichherberge zu finden. Die nächstliegenden Angebote waren immer noch 17 km, das sind fast vier Stunden Fußweg, entfernt. Das gaben meine Knochen nicht mehr her. Also nahm ich allen Mut zusammen und betrat die Trucker-Hölle. Das Äußere des Gebäudes hatte nicht zu viel versprochen. Die Bettwäsche deutete auf Gäste mit dunklen, lockigen Haaren hin, die vor mir in dem Zimmer gewohnt haben müssen. Die Zimmertür hätte ich weit geöffnet lassen können, da sie sich ohnehin nicht richtig schließen ließ. Das Menü in der angeschlossenen Raststätte entsprach dem, was ich befürchtet hatte. Einziger Lichtblick: die freundliche Kellnerin hatte mich offensichtlich missverstanden und mir anstelle einen Glases „Vino Tinto“ eine ganze Flache gebracht. Dass ich nachts immer in die Mitte des Bettes gerollt bin, lag dann aber nicht am Wein, sondern daran, dass die Matratze völlig durchgelegen war.

An Tag 23 ging es in Richtung Astorga. Um genau zu sein: 30 km entlang eben jener Autobahn, an der ich auch die Nacht verbracht hatte. Zumindest ließ sich die Stecke, wenn sie denn schon nicht schön war, gut laufen. Am Nachmittag erreichte ich dann endlich Astorga. Auf den letzten Metern begegnete mir eine Kolumbianerin, die mich an dem Tag schon ein paar Mal überholt hatte. Ihr Handy hatte den Geist aufgegeben. Nun war sie auf der Suche nach dem Hotel, in dem ihr Mann auf sie wartete. Die beiden hatten sich am Morgen unabhängig voneinander auf den Weg gemacht, da sie, wie sie mir versicherte, „ihn sonst getötet hätte“. Ich habe dann nicht weiter nachgefragt. Glücklicherweise lagen unsere Hotels in der gleichen Straße. Ich hatte es daher nicht mehr weit, nachdem ich sie bei ihrem Mann abgeliefert hatte. Ich setze mich auf den Marktplatz und schaute mir die Leute an. An den Nachbartisch setzte sich ein Herr, der etwas mitgenommen aussah. Wie sich bald herausstellte, war es der Ehemann der Kolumbianerin. Ich vermute, dass es ihr Temperament war, das deutliche Spuren an dem Guten hinterlassen hatte.

Für den 2. Juni hatte ich mir vorgenommen, eine etwas kürzere Strecke zu laufen – als kleines Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Kurz hinter Astorga war er zurück: der Jakobsweg, wie ich ihn in den ersten Tagen kennen und irgendwie auch etwas zu lieben gelernt hatte. Landschaftlich abwechslungsreich, mit großartigen Fernblicken. Das Highlight erwartete mich am Ende des Tages: Rabanal del Camino, ein kleines Dorf, das völlige Entspannung und Ruhe ausstrahlte. Ich setzte mich in eine kleine Bar am Eingang des Dorfes, bestellte mir etwas Käse und Schinken und ließ mir Sangria aufschwatzen. So ließ es sich gut aushalten. Auf der Suche nach einem Restaurant stolperte ich über Dennis und einen anderen Pilger. Dennis ist mit seinem Hund Bobby auf dem Camino unterwegs. Wenn Bobby keine Lust mehr hat zu laufen, dann trägt Dennis den 25 Kilo schweren Staffordshire Bull Terrier.

Um 21.30 Uhr besuchten wir gemeinsam einen gregorianischen Gottesdienst, in dem die Mönche den gesamten Gottesdienst auf Latein gesungen haben. Eine interessante Erfahrung, aber so, wie der Gottesdienst den einen oder anderen emotional mitgenommen hat, fühlte ich mich nicht angefasst. Vor der Kirche trafen wir auf einen Tränen überströmten Deutschen, der einen seligen Eindruck auf mich machte. Ob das allerdings tatsächlich an dem Gottesdienst oder doch eher an dem vielen Wein beim Abendessen gelegen hatte, werden wir vermutlich nie erfahren.